Wer öffentlich anreist, nimmt vom Bahnhof Lenggries den Bergsteigerbus in die Eng, Ausstiegsstelle Oswaldhütte 01. Zwischen der Garage und dem Bachgraben beginnt ein schmaler Weg, unser Steig. Er verläuft kurz am Graben entlang, dann links über einen Grashang hinauf. Teilweise ist er schlecht zu erkennen, doch wachsame Augen entdecken den Weg entlang von blassroten Markierungspunkten. Eine unserer ersten Aufmerksamkeitsübungen an diesem Tag, um uns schon auf die späteren Naturentdeckungen vorzubereiten.

Alte bemooste Laubbäume, Bergahorn und Buche, wechseln mit reizvollen Waldwiesen 02ab. Immer wieder lassen sich auch Spechtbäume mit ihren löchrigen Hinterlassenschaften entdecken. Unser größter Specht, der Schwarzspecht, hämmert ovale Löcher in den Stamm. Diese Bruthöhlen werden in Folgejahren oft auch vom Baummarder oder verschiedenen Fledermäusen genutzt.

Auf unserem Weiterweg kommen zunehmend mehr Fichten vor und zeigen uns, dass wir uns langsam in die höhere Vegetationsstufe bewegen. An einigen Zweigen sind seltsame ananasförmige Gebilde zu erkennen. Diese haben mit Fichten-Gallläusen zu tun. Ihre Larven stechen die Fichtentriebe an, um an deren Saft zu gelangen. Der Baum reagiert darauf mit der Bildung verdickter Sprossenden. Wer lieber seine Ohren verwöhnen möchte, der schließt kurz die Augen und lauscht dem Ruf von Kleiber oder Haubenmeise, vielleicht ist aber auch das sanfte "siiih" des Waldbaumläuferszu hören. Schließlich wird es lichter, wir folgen der Forststraße, vorbei am Schild mit der Aufschrift Schafreuter und stehen plötzlich vor den hügeligen Almwiesen der Moosenalm 03. Das saftige Grün ist durchsetzt mit weiß-grauem Gestein aus Plattenkalk, das durch den Regen bereits allerlei Formen der Erosion aufweist – eingetiefte Löcher, Kanten oder kleine Rinnen, sogenannte Karren. In den schattigen, feuchten Zwischenbereichen wachsen der Grünstielige Streifenfarn, der Lanzen-Schildfarn und der Rundblättrige Steinbrech. Im Gegensatz zu anderen Steinbrecharten braucht dieser hier keinen Verdunstungs- oder Windschutz. Auf den Steinen haben wir auch schon eine Kreuzotter beim Sonnenbad beobachten dürfen. Und noch etwas Besonderes gibt es hier. Frei laufende Pferde! Ein wirklich ungewohnter Anblick! Im Vergleich zu früher gibt es heute im Karwendel leider nur noch wenige Almen, die Pferde auftreiben. Hier ist eine!

Weiter geht es rechts über die Wiese (rote Punkte!) in eine Senke mit verschiedenen Wegweisern 04. Es gibt nun zwei Möglichkeiten, zur Tölzer Hütte zu gelangen. Bevor wir uns entscheiden, halten wir aber erst einmal Ausschau nach dem Zitronenzeisig; ein kleiner gelber Finkenvogel, der hier seinen Brutplatz hat.

Variante 1 – die anspruchsvollere Variante mit Gipfelglück

Nur trittsichere und schwindelfreie Personen sollten diesen Weg wählen. Wenn der Steig nass ist, ist er besser auch zu meiden!

Wir halten uns links und suchen am Fuß des latschenbewachsenen Kälberecks nach dem nächsten Schild und den Markierungen. Der Steig führt entlang der Hangkante über einen Latschenrücken kräftig bergauf. Gesäumt ist dieser mit der Bewimperten Alpenrose, in deren Schutz der Bergpieper sein Nest anlegt. Unverpaarte Bergpiepermännchen erkennt man auch daran, dass sie oft im Flug ihren Gesang vortragen. Dabei steigen sie in flachem Winkel auf, halten ihre Steuerfedern leicht gespreizt und schließlich lassen sie sich mit fallschirmartig ausgebreiteten Flü-geln auf dem Boden nieder. Verpaarte Männchen singen hingegen von einer Warte.

Nach etwa 1,5 Std. sind wir am Gipfelkreuz des Schafreuters 05. Dem Namen alle Ehre machend, zeigt sich hier oft eine Gruppe Schafe und verblüfft mit ihren Kletterkünsten. Denn der Gipfel ist eng und bricht auf beiden Seiten steil ab. Die Aussicht ist jedoch absolut lohnenswert und bietet uns bei schönem Wetter einen herrlichen Fernblick aufs Bayerische und Tiroler Karwendel, sogar bis nach München. Direkt am Gipfel verläuft auch die Grenze zwischen Bayern und Tirol. Mit diesen Eindrücken steigen wir später südseitig ab. Erst durch eine felsige Rinne (Problemstellen mit Drahtseil; nicht allzu schwierig), danach über einen harmlosen Grat mit Frühlings- und Fransenenzian und an vielen Steinmandln vorbei zur Tölzer Hütte.

Variante 2 – der leichtere Weg mit Gamsgarantie

(Dies ist bei Variante 1 auch der Rückweg!) Wir halten uns rechts den Schildern folgend. Der Weg führt moderater am Westhang des Schafreuters zur Tölzer Hütte. Der Anblick von Gämsen ist hier fast garantiert! Teilweise verstecken sie sich aber auch zwischen den Latschen, wie auch die Schneehasen. Besser zu sehen als letztere ist dagegen der nicht allzu oft vorkommende, gelbe Berg-Pippau auf den kalkhaltigen frischen Bergwiesen.

Bei der Tölzer Hütte 06 gönnen wir uns eine gemütliche Rast und genießen beeindruckende Panoramablicke auf das Karwendelgebirge. Wer ein Fernglas dabei hat, sollte dies unbedingt herausholen. Wohin man auch blickt, überall sind die Gämsen zu Hause und manchmal in großen Gruppen unterwegs. Nicht weit entfernt, südöstlich von der Hütte, befindet sich ein kleines Denkmal. Einen Abstecher dorthin ist es wert, denn zwischen diesem und dem Delpsjochgipfel siedeln einige Murmeltiere und lassen sich manchmal ausgiebig studieren. Nach unserer Pause wandern wir nun unterhalb der Hütte über die Südflanke des Schafreuters Richtung Westen zur bereits bekannten Moosenalm. Wir suchen uns dabei den Weg durch die Latschen. Dann geht’s kurz bergauf zu einem Joch und rechts weiter auf einem etwas undeutlichen Weg über eine grüne Hochfläche. Gegenüberliegend sehen wir den Vorderskopf, der an einen Tafelberg in Afrika erinnert.

Nach circa 1 Std. erreichen wir die Forststraße bei der Moosenalm. Dieser folgen wir talwärts und gelangen zum Ausgangspunkt 01.

Schafreuter • 2101 m, mit Varianten