Der Begriff Einzigartigkeit trifft auf den Großen Ahornboden zweifelsohne zu und so werden nur wenige Besucher unbeeindruckt bleiben, wenn sie am Parkplatz in der Eng 01 den Bergsteigerbus oder das eigene Auto verlassen, um mit der kleinen Wanderung zu beginnen. Wir starten am Themenweg 02Richtung Almdorf Eng und können auf den Informationstafeln mehr über die Almwirtschaft, den Bergwald und den Bergahorn erfahren. Noch interessanter ist es, die unmittelbare Umgebung mit ihren eigentlichen Stars – den Bergahornen – genauer unter die Lupe zu nehmen. Ist es nicht erstaunlich, dass über 2000 Ahornbäume mit einem Alter von 400 bis 600 Jahren diese Landschaft prägen? Warum nicht Fichten, Tannen oder Buchen? Der Bergahorn ist gegen Überschotterung sehr duldsam und kann daher am besten mit den harten Lebensbedingungen auf dem kargen Schotterboden umgehen. Die Ausbildung von immer wieder neuen Wurzelhorizonten hat ihn dazu befähigt.

In Kombination mit der seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesenen Almwirtschaft, die die restlichen Baumarten zum Schaffen von Weideflächen zurückgedrängt hat, entstand die heutige Landschaft. Dies war jedoch kein ständig gleichbleibender Prozess. Immer wieder musste aufgrund von Klimaschwankungen die Almwirtschaft aufgegeben werden.

Ohne Zweifel sind diese Baummonumente über Jahrhunderte wichtige Lebensräume für Fledermäuse – hier lebt die seltene Fransenfledermaus –, Spechte, den Trauerschnäppern und verschiedene Käferarten, darunter der vom Aussterben bedrohte Alpenbockkäfer, die in den morschen Baumriesen Unterschlupf und Nahrung finden. Auf den Bäumen leben 135 verschiedene Moos- und Flechtenarten, beispielsweise Rudolphs Trompetenmoos, welches hier weltweit sein größtes Vorkommen hat. Um diese Landschaft in ihrer Einzigartigkeit und Schönheit zu erhalten, werden vom Naturpark gemeinsam mit den regionalen Akteuren die kleinen Bäumchen mit einem Weidezaun vor Verbiss durch Kühe oder Wild geschützt. Im Frühsommer jeden Jahres werden die Zäune durch die Freiwilligen des Teams Karwendel repariert.

Vorbei am Trubel des Restaurants "Rasthütte" 03 führt unser Weg geradeaus direkt in die Ruhe des Enger Grunds. Vor uns bauen sich von links nach rechts die gewaltigen Spitzen von Hochglück, Spritzkar und Dreizinkenkar auf. Bei guter Thermik werden diese gerne vom Steinadler umkreist. Wechselt man die Perspektive und wirft einen Blick zurück Richtung Norden, zeigt sich entfernt die Hasentalalm mit dem Kompar.

Weiter geht’s! Im Juli leuchtet entlang des Wegesrandes in Gelbtönen die schöne Blütenpracht von Habichtskraut und dem Gelben Enzian, in lila-violett die Glockenblume oder der frühblühende Thymian (dessen Duft unverkennbar ist, wenn man seine Blätter reibt!), die schwarz-violette Akelei oder die zu den Orchideen zählende Brand-orchis. Auffällig ist auch die Blut-rote Sommerwurz. Letztere ist eine Vollschmarotzerpflanze, die selbst kein Chlorophyll (Blattgrün) besitzt und deshalb die Wurzeln der Wirtspflanzen anzapft, um ihnen Zucker, Nährstoffe und Wasser zu entziehen. Diese Art ist selten und hier zwischen Mai und August zu bestaunen. Im Herbst fallen dagegen die silbrig-schimmernden Blütenböden der Silberdistel auf.

Offene Augen können zwischen den umliegenden Steinhaufen auch eine Kreuzotter entdecken, die sich hier gerade in der Sonne wärmt oder auf Beutefang von Eidechsen oder Grasfröschen geht. Ha, was springt denn da? Es ist die Sumpfschrecke, sie zirpt allerdings nicht wie andere Heuschrecken, sondern macht vor allem im August und September weithin hörbare Knipslaute. Also Ohren auf!

Der Weg folgt nun dem Bachverlauf des Enger-Grund-Baches. Wer möchte, kann sich hier eine kleine Erfrischung gönnen und dabei nachsehen, wer sich so alles unter den im Wasser liegenden Steinen versteckt. Meist sind hier Stein-fliegen- oder Eintagsfliegenlarven zu entdecken, Indikatoren für sauberes Wasser!

Nach dem Überqueren einer kleinen Brücke 04 verengt sich der Weg, später geht er sogar in eher wegloses Gelände über. Verlaufen kann man sich aber trotz verschiedener Weggabelungen nicht und je weiter wir uns den steilen vor uns liegenden Felswänden 05 nähern, umso unberührter scheint die Landschaft zu werden. Hier ist das Paradies der Gämsen, die uns in ihre Welt eintauchen lassen. Manchmal haben wir auch schon kleine Kitze beobachtet, wie sie übermütig auf den alten Schneeresten herumtoben.

Doch auch der etwas versteckt liegende kleine Wasserfall zu unserer Linken beeindruckt mit seiner Schönheit im Abgeschiedenen; oder die hier präsente Vogelwelt mit Bergpieper, Alpenbraunelle und Turmfalke.

Der Rückweg erfolgt dann auf den gleichen Pfaden wie der Hinweg.

Großer Ahornboden und enger Grund