Walddörfer? In einer Großstadt? Ja, die gibt es wirklich. Schließlich ist Hamburg eine der weitläufigsten Städte in Europa und hat obendrein eine geringe Bevölkerungsdichte. Fünf Stadtteile im äußersten Nordosten an der Grenze zu Schleswig-Holstein werden als Walddörfer bezeichnet: Drei davon werden wir uns auf einer entspannten Tour anschauen und uns dabei selbst ein Bild davon zu machen, ob die hübsche Bezeichnung für die Dörfer auch zutreffend ist.

Die Weiße Rose

Wir verlassen die 01 U-Bahnstation Volksdorf nach rechts und fahren über die Claus-Merck-Straße, der wir nach links folgen. Es handelt sich um eine Einbahnstraße, die für uns Radfahrer jedoch geöffnet ist. Zur Rechten sehen wir das 02 Mahnmal Weiße Rose, der Name und die Tätigkeit der Gruppierung sind wahrscheinlich weniger bekannt sind als die Namen der bekanntesten Mitglieder. Hans und Sophie Scholl waren Mitglieder der Weißen Rose, einer sich wesentlich auf humanistische Werte berufenden Widerstandsgruppe, die 1942 in München entstand und sich gegen die Diktatur des Nationalsozialismus auflehnte. Bereits 1943 flog der Widerstand der Weißen Rose durch Bespitzelung und Denunzierung auf. Hans und Sophie Scholl wurden von nationalsozialistischen Richtern zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet.

Zeitreise zum Ursprung des einstigen Walddorfes Volcwardesdorpe

Wir folgen der Straße Im Alten Dorfe, bis wir den "Dorfkrug" in Volksdorf (Im Alten Dorfe 44, 22359 Hamburg) erreichen. Dahinter liegt das 03 Museumsdorf Volksdorf, das einzige in Hamburg. In ihm kann man nacherleben, wie das Leben vor 100 Jahren aussah. Das Freilichtmuseum besteht aus sieben Wohn- und Wirtschaftsgebäuden aus dem 17. bis 19. Jahrhundert und einer Ausstellung mit Haus- und Arbeitsgeräten. Das Gelände ist frei zugänglich, die Innenräume können nur mit Führungen besucht werden. Hier kann man sich vor der Tour auch nochmal stärken, denn im Dorfkrug werden Fischgerichte, Chateaubriand und Speisen mit schwäbischer Note im charmanten, rustikalen Bauernhaus mit Kamin serviert. Montags ist das Gelände geschlossen

Wildnis in Hamburgs Norden

Nun fahren wir Richtung Norden, über die Straße Vörn Barkholt bis zum Waldfriedhof Volksdorf, vor dem wir links in die Straße Im Regestall und an der U-Bahnstation Buckhorn rechts abbiegen. Nach weiteren fünfzehn Minuten erreichen wir den 785 Hektar großen 04 Duvenstedter Brook, indem wir durch den Wohldorfer Wald radeln und am Kupferteich das kleine, nur neun Kilometer lange Flüsschen Ammersbek überqueren. Abwechslungsreicher ist kaum ein anderes Naturschutzgebiet in Hamburg: Wiesen, Moore, Äcker, Teiche, Heideflächen und Wälder wechseln sich ab, 600 Pflanzenarten sollen hier wachsen und fast 100 Vogelarten brüten. Gemeinsam mit den südlich und östlich angrenzenden Naturschutzgebieten Wohldorfer Wald und Hansdorfer Brook und der Ammersbek-Hunnau-Niederung bildet es mit über 1.500 Hektar eine der größten zusammenhängenden Naturschutzflächen in Hamburg. Wir beschränken unsere Runde auf den südwestlichen Teil des Naturschutzgebietes.

Von einem Naturparadies in das nächste

Über den Duvenstedter Triftweg verlassen wir das Naturparadies und machen uns auf den Weg in den namensgebenden, ländlich geprägten Stadtteil Duvenstedt mit seinen 6 000 Einwohnern an der Grenze zu Schleswig-Holstein. Gemeinsam mit dem sich östlich anschließenden Stadtteil Wohldorf-Ohlstedt ist er der nördlichste Stadtteil Hamburgs. Die Umgebung des Stadtteils Duvenstedt, ebenfalls ein Walddorf, ist ein kleines Naturparadies für Tierliebhaber und Outdoor-Sportler. Man hört das Klopfen der Spechte und kann Rehe und Igel auf den Wiesen sehen.

Pause in Mühlenambiente

Auf Höhe der 05 Wohldorfer Mühle (Mühlenredder 38, 22397 Hamburg) taucht die Ammersbek auf unserer linken Seite wieder auf. Die Wohldorfer Mühle ist übrigens prima geeignet für ein kleines Päuschen. Das idyllisch gelegene, stilvoll-rustikale Restaurant mit seiner lauschigen Terrasse und herrlichem Blick auf den Mühlenteich und die Kornmühle serviert gehobene deutsche und internationale Gerichte. Als Beilage auf jeden Fall das leckere Brot probieren, das hier seit 1792 gebacken wird. Über den Schleusenredder fahren wir weiter und biegen am Nahverkehrsmuseum Kleinbahnhof Wohldorf links ab.

Wasser, Wasser, Wasser

Wir erreichen die Alster, die hier an ihrem Oberlauf nicht mehr als ein kleines Bächlein ist, und fahren die Straße Alsterblick hinunter, die in die Bredenbekstraße übergeht. An der Dieselstraße biegen wir rechts ab und an der Straße Haselknick erneut. Ziel unserer Etappe ist das Naturschutzgebiet 06 Rodenberger Quellental, ein 84 Hektar großes eiszeitliches Schmelzwasser-Flusssystem mit bis zu 300 Jahre alten Bäumen. Die Quellen gehören zu den wenigen natürlichen Wasseraustritten in Hamburg. Graureiher suchen die ehemaligen Fischteiche im nördlichen Bereich gerne auf. Dort schwirren über der Wasseroberfläche zahllose Insekten umher, die von den in Hamburg äußerst seltenen Wasserfledermäusen vertilgt werden. Wir durchfahren die wunderbare Landschaft mit ihren verschiedenen Gewässern, die von Laubmischwäldern aus Buchen, Stiel- und Traubeneichen sowie Hänge- und Moorbirken umgeben sind. Dazwischen stehen reine Buchen und Eichen-Hainbuchen-Wälder, deren Altholzbestände in der Regel mit Jungahorn und Vogelkirsche untersetzt sind. Über die Rodenbeker Straße verlassen wir das Gebiet und erreichen Bergstedt, eines der fünf Walddörfer. Der Ortskern mit seiner Backsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert ist denkmalgeschützt, einige schöne alte, reetgedeckte Häuser tragen ebenfalls zur Attraktivität von Bergstedt bei. Wir überqueren die Bergestedter Chaussee und folgen dann dem Immenhorstweg, bis wir rechts in den Eichenweg abbiegen. Am Bach Saselbek angekommen fahren wir links. Dem Bächlein folgen wir, bis wir die Volksdorfer Teichwiesen erreichen. Das letzte Teilstück bringt uns auch gleich zur Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Denn der Waldweg, über den wir nun fahren, ist zugleich eine Art Fazit: Ja, die Bezeichnung "Walddörfer" ist durchaus berechtigt. Wir kommen zurück zu unserem Startpunkt, der gleichzeitig das Ziel unserer Radtour ist: die U-Bahnstation Volksdorf. Von hier haben wir Anschluss an das gesamte Netz des Hamburger Verkehrsverbundes.

Durch die Walddörfer